Rattan
Rattan – Bezeichnungen und Verbreitung
Kurzzeichen DIN EN 13556
Botanische Bezeichnung
Verbreitung
Handelsnamen

Rattan – Beschreibung und Merkmale
Kurzbeschreibung
Rattangewächse gehören zu den Palmen, einer eigenständigen Pflanzengruppe, deren Hölzer sich von den Nadel- und Laubhölzern grundsätzlich unterscheiden. Unter den überwiegend baumförmigen Palmen wie z. B. der Kokospalme (Merkblatt 100) stellen Rattanpalmen als schlanke, stachelige Kletterpflanzen von geringen Durchmessern eine große Ausnahme dar. Nur etwa 20-30 der etwa 600 überwiegend in Südostasien, seltener in Afrika verbreiteten Rattanarten werden wirtschaftlich genutzt. Lokal wird die ganze Pflanze (Stämme, Blätter, Früchte etc.) in vielfältiger Form verwendet, wie z.B. für Haus- und Dachkonstruktionen sowie Artikel des täglichen Bedarfs. Von größter wirtschaftlicher Bedeutung ist die Möbelfertigung, die in Europa eine über 100-jährige Tradition besitzt. Der Handel mit Rattanmöbeln trägt wesentlich zu den Exporterlösen der wichtigsten Erzeugerländer von Rohmaterial und/oder Fertigprodukten (China, Indonesien, Laos, Malaysia, Philippinen, Taiwan, Thailand, Vietnam) bei.
Stammform
Rattanpalmen können maximale Längen von über 100 m erreichen und gehören damit zu den längsten Landpflanzen der Erde. Die mittleren Durchmesser reichen von unter 5 bis 40 mm, bis maximal bis 80 mm. An den Blattscheiden entwickeln sich umlaufende Verdickungen, die Knoten (Nodien) genannt werden; die zwischen den Knoten liegenden Segmente werden als Internodien
bezeichnet.
Farbe und Struktur
Rattan besteht nur aus Splintholz; Strukturen wie z.B. Zuwachszonen oder Äste werden nicht gebildet. Der äußere Bereich des Querschnitts erscheint geringfügig dunkler als der Innere. Ursache dafür ist die unterschiedlich kompakte Anordnung von zerstreut verteilten Zellsträngen (Leitbündel
), deren Zahl von außen (dunkler) nach innen (heller) abnimmt. Die Leitbündel sind in ein hellfarbiges, dünnwandiges Grundgewebe eingebettet. Den äußeren Abschluss bildet eine sehr dünne Haut (Epidermis) von hellgelber bis hellbrauner, selten rötlich-brauner Farbe, der bei den meisten im Handel gebräuchlichen Rattanarten eine harte Kieselschicht, bei einigen eine Wachsschicht aufgelagert ist.
Gesamtcharakter
Dünne und biegsame, durch Knoten in regelmäßigen Abständen markierte Stengel mit einer hellen, meist glänzenden Außenhaut. Vollholzig (im Gegensatz zu den äußerlich ähnlichen aber hohlen Bambusrohren) und von meist kreisförmigem Querschnitt; mit weichem Kern, umgeben von einem dichten und festen Mantel.
Handelsformen
Im Handel werden grundsätzlich drei verwendungsgebundene Produktbereiche unterschieden, nämlich Stangen
(englisch: cane
), Peddig
(englisch: reed
oder peddig
) und Schienen
(englisch:cane webbing
oder weaving
).
Stangen: Nach Entfernung der Blattscheiden werden gebrauchsfertige, üblicherweise 3 bis 5 Meter lange Abschnitte geschnitten. Diese werden getrocknet und entweder als unbearbeitetes Naturrohr
oder, nach einer ersten Bearbeitung (Abschälen der kieselhaltigen Außenhaut und Entfernung der Knotenwulste), als Kernmaterial (englisch: core
) in den Handel gebracht. Innerhalb dieses Stangensortimentes werden eine Reihe von Qualitätsabstufungen vorgenommen nach Durchmesser, Form des Querschnittes, Abstand der Knoten, Farbe, Grad der Bearbeitung und Länge. Stangen werden ausschließlich konstruktiv eingesetzt, vorwiegend in der Möbelfertigung (Stühle, Tiische, Sofas, Regale, liegen etc.), lokal auch als Baumaterial.
Peddig: Dieses Material wird aus dem weicheren und helleren Kern gewonnen. Aus den geschälten Stangen werden mit Spezialmaschinen linsenförmige oder zylindrische Streifen geringer Querschnitte herausgeschnitten. Unter der Bezeichnung Peddig
wird jedoch auch naturbelassenes Rattan gehandelt, das maximale Durchmesser von nur wenigen Millimetern erreicht. Qualitätsabstufungen werden nach Farbe, Durchmesser und Bearbeitungsgüte vorgenommen. Der weiche und sehr geschmeidige Peddig wird überwiegend für Flechtarbeiten (z. B. Körbe, Korbmöbel und Matten, Ausflechten von Möbelteilen etc.), teilweise auch für die Befestigung von Verbindungen verwendet.
Schienen: Dieses Material wird in Form von Streifen unterschiedlicher Breite mit flachen oder linsenförmigen Profilen aus der Schale (Außenbereich) der Naturstangen geschnitten. Von dem meist runden Peddig unterscheidet sich die Schiene durch den flachen Querschnitt und die hohe Festigkeit bzw. geringere Biegsamkeit. Kriterien für die Beurteilung der Qualität sind Farbe, Oberflächengüte und Schnittqualität.
Die Verwendungsformen von Peddig und (Flecht-)Schienen überschneiden sich teilweise. Letztere werden vorwiegend für das Ausflechten von hoch belasteten Möbelteilen (Sitze, Rücken), für Wickelarbeiten sowie Befestigung statisch wirksamer Verbindungen eingesetzt.
Eigenschaften
Ein Eigenschaftsprofil in Analogie zu den Ansprüchen, die für Laub- und Nadelhölzer oder auch baumförmige Palmen gelten, ist für Rattan nicht anwendbar. Der charakteristische Habitus schlanker, biegsamer Kletterpflanzen und die daran orientierten speziellen Nutzungsformen reduzieren den Katalog verwendungsrelevanter Eigenschaften auf wenige biologische, physikalisch-mechanische sowie ästhetische Kriterien. Standardisierte Prüfmethoden sowie in Zahlen ausdrückbare Prüfergebnisse liegen kaum vor, da die Qualitätsbeurteilung meist nach Sicht- und manueller Biegeprüfung vorgenommen wird. Rattan ist ein leichtes Material mit einer durchschnittlichen Rohdichte um 0,30 -0,40 g/cm³. Es lässt sich über offener Flamme oder nach Dämpfen gut biegen und behält nach dem Abkühlen und Trocknen seine Form. Entscheidend für die sehr spezifischen Eigenschaften von Rattan ist die strukturbedingt ungleiche Dichteverteilung über den Querschnitt, die einen kontinuierlichen Anstieg der Festigkeit von innen nach außen bedingt. Dadurch sind vor allem die elastischen Werte im Außenbereich sehr hoch, während im weichen Kern die durch starke Biegung bedingten plastischen Verformungen absorbiert werden können. Die bislang fast ausschließlich vorgenommene Freilufttrocknung verläuft ähnlich wie bei Laubhölzern vergleichbarer Dichte und führt meist zu einem leichten Nachdunkeln der Oberfläche. Naturbelassene Stangen werden vor dem Aufstellen zur Trocknung in einem heißen Ölbad gelagert. Dadurch werden Wassergehalt und Trocknungszeit reduziert sowie eine hellere und gleich mäßigere Oberfläche erzielt. Die Pilz- und Witterungsbeständigkeit von Rattan ist gering. Befall durch holzzerstörende bzw. -verfärbende Pilze führt häufig zu Wertminderung. Einen gewissen Schutz gegen Witterungseinflüsse bietet bei naturbelassenen Stangen die kieselhaltige bzw. wachsartige Außenhaut. Geschältes Material dagegen ist sehr anfällig und sollte deshalb nur in witterungsgeschützen Innenräumen eingesetzt werden. Rattan enthält Gerbstoffe und wird in Verbindung mit Feuchtigkeit durch Metalle dunkel gefärbt. Alle konstruktiven Verbindungen für qualitativ hochwertige Möbel werden deshalb in Deutschland überwiegend mit Zapfen, Holzdübeln, Wicklungen oder durch Verleimung hergestellt.
Oberflächenbehandlung
Naturbelassene Stangen erlauben keine Oberflächenbehandlung mit üblichen Mitteln und Verfahren, da die kiesel- bzw. wachshaltige Außenhaut eine ausreichende Haftung verhindert. Geschältes Material dagegen läßt sich ohne Schwierigkeiten einfärben und lackieren. Auch farbige Deckanstriche sind problemlos anwendbar. Sowohl das Einfärben (Beizen) wie auch farbige oder farblose Endbehandlung werden am fertigen
Produkt im Tauch- oder Sprühverfahren vorgenommen.
Anmerkungen
Handel und Verarbeitung von Rattan haben in den vergangenen Jahren eine wesentliche Wandlungerfahren. Eine spürbare Verknappung handelsüblicher Qualitäten in Südostasien hat seit 1986 zu Exportrestriktionen der wichtigsten Lieferländer und in der Folge zu einer graduellen Verlagerung der Verarbeitungskapazi täten aus Europa nach Südostasien geführt. Entsprechend wird in den traditionellen Herstellerländern Europas wie Deutschland, Großbritannien, Italien, Niederlande und Spanien zunehmend weniger Rattan verarbeitet. Die Erschließung von neuen Rohstoffquellen aus bisher wenig in Erscheinung getretenen Regionen (Indochina, Westafrika) sowie die Nutzung von kürzlich angelegten Rattanplantagen (vornehmlich auf Borneo und Sumatra) können jedoch längerfristig wieder zu einer besseren Rohstoffversorgung führen. Hinweise auf die Vielzahl von Klassifikationen, die die Qualitätsbeurteilung von Rattan regeln, enthalten die Literaturstellen KNERR (1992) sowie NN (ohne Jahr).
Rattan – Technische Eigenschaften
Literatur
Dahms, K.-H .( 1990): Rattan - Eine Alternative zu echtem Holz. Holz-Zentralblatt 116, 9: 116-119.
Dransfield, J. (1988): Prospects for Rattan cultivation. Adv. Econ. Bot. 6: 190-200.
Knerr, L. (1992): Rattan-, Weiden-, Holz und Stahlmöbel mit Flechtwerk. Innung für
industriell gefertigte Polstermöbel und geflochtene Möbel, Lichtenfels/Obfr.
N.N. (ohne Jahr): Materialkundeblätter No. 1-13. Staatliche Berufsfachschule für Korbflechterei, Lichtenfels/Obfr.
Tomlinson, P.B. (1990): The structural biology of palms. Oxford Scientific Publications,
Clarendon Press, Oxford.
Uhl, W. & J. Dransfield (1987): Genera Pal marum. Allan Press, Lawrence, KS, U.S.A.
Weiner, G. (1992): Zur Stammanatomie der Rattanpalmen. Dissertation Fachbereich Biologie, Universität Hamburg
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